Pfadfinder-Trophäe 1976

- das erste Mal ohne Panne -


Thema: "Motorradfabriken, die zwischen 1945 und 1975 serienmäßig Motorräder, Mopeds, Mofas oder Roller hergestellt haben".

In diesem Jahr entschließe ich mich für das "technische" Suchgebiet. Einige "Pfadfinder" sind sowieso der Meinung, da die Pfadfinder-Trophäe ein Motorrad-Wettbewerb ist, müsse man auch "Motorrad"-Themen wählen. Gut, jeder wie es ihm gefällt!

Vorbereitung

Aus der Bücherei leihe ich mir einige Bücher über Motorradmarken aus. So komme ich recht schnell an eine stattliche Liste von Motorradfabriken. Sieh an, sogar in Dortmund gab es einmal zwei Motorradhersteller: Tremonia und Pirol - nie gehört!

Ich entschließe mich, nur ehemalige Motorradfabriken zu suchen. Da reicht es aus, nur das Ortsschild zu fotografieren. Ich habe keine Lust, in Städten nach Fabrikgebäuden zu suchen! Auch mit dieser, reduzierten, Liste könnte ich schon einige Punkte sammeln - allerdings, meinen Motorrädern traue ich leider gar nicht mehr viel zu. Genauer gesagt: wenn ich damit 5 Punkte erreiche, kann ich sehr zufrieden sein! Zufriedenstellend ist diese Stop-and-work-and-go-Situation nun wirklich nicht. Düsseldorf und Lippstadt sollen mit 80 Kilometern Entfernung nicht meine weitesten Touren bleiben. In diesem Jahr will ich die Siegerehrung in Adnet mit dem eigenen Motorrad erreichen!

Daher entschließe ich mich im April, ein neues Motorrad zu kaufen: eine nagelneue Honda CB 400 four.

Es bleiben mir so gerade noch zwei Wochen, um die Maschine einzufahren, damit ich vor meiner ersten richtig großen Fahrt noch die 1000-km-Inspektion durchführen lassen kann. Ich schaffe es trotz Bundeswehr, die immer noch meine freie Motorradentfaltung empfindlich stört.

Die Fahrten

Am 30.4., bei Kilometerstand 1006, geht es endlich los nach Adnet. Ohne die kleinste Bastelpause erreiche ich mein Ziel. Im nahe gelegenen Hallein suche ich die ehemalige Motorradfabrik HMW (Halleiner Motorrad Werk). Dank der Entfernung zu Dortmund gibt das gleich 12 Punkte, soviel, wie ich in den ersten beiden Jahren zusammen erreicht habe. Das Fotografieren am Ortsschild ist jetzt auch kein Problem mehr. Ich habe mir ein Stativ und einen ca. 15 Meter langen Fernauslöser gekauft.

Jetzt stehe ich vor einer schweren Entscheidung: soll ich an einem der beiden Tage, die ich in Österreich verbringe, nach Wien fahren, wo ich weitere 40 bis 50 Wertungspunkte erreichen kann, oder soll ich lieber durch die Berge fahren? Da ich das erste Mal mit dem eigenen Motorrad in den Alpen bin, entscheide ich mich für die zweite Lösung. Schön, dass dieser Wettbewerb so ohne Zwang ist! Im "Haus der Natur" (sehr empfehlenswert) tue ich etwas für die Bildung, auf dem Salzburgring gibt es Spannung (wieder freier Eintritt für "Pfadfinder"!) und ansonsten Kurven und Landschaft ohne Ende (Anm. 2003: Viele Straßen, die heute eher gefährliche Rennstrecken sind, waren da noch kurvenreiche "gefährliche" Bergstraßen!).

Wieder durften wir spannende Rennen auf dem Salzburgring verfolgen!
Die Wiestalschlucht, ein Naturdenkmal auf dem Weg zum Salzburgring.

Am 4.5. fahre ich dann wieder - pannenfrei(!) - nach Hause, den Kopf voller Erinnerungen an Salzburg mit dem phantastischen "Haus der Natur", eine gelungene Siegerehrung, spannende Motorradrennen auf dem Salzburgring und Hunderte von schönen Alpenkilometern: durch die Wiestalschlucht, durchs Tennengebirge, durchs Dachsteingebirge und an den Seen des Salzburger Landes vorbei. Das alles bei schönstem Maiwetter!

Adnet vor dem Tennengebirge
Gosausee mit Dachsteingebirge

Gleich am nächsten Wochenende mache ich meine nächste Tour. Ich besuche ein Motorradtreffen in Salzgitter, das Biker organisieren, die ich vor einer Woche auf der Siegerehrung kennen lernte. Auf der Hinfahrt fotografiere ich noch ehemalige Motorradfabriken in Braunschweig und Salzgitter-Bad. Besonders die Rückfahrt ist ein Genuss. Ich fahre bei Sonnenuntergang los. Die 250 Kilometer bis Dortmund fahre ich Landstraße. So lerne ich die Düfte der Dämmerung kennen: Wälder, Wiesen, Weiden - na ja, Dung war wohl auch mal dabei. Gelobt sei der Tag, an dem ich mich entschloss, Motorradfahrer zu werden!

Nach einem Österreichurlaub ohne Motorrad mit Freunden habe ich noch eine Woche Urlaub. Da kann ich noch einige Motorradfabriken in der Nähe aufsuchen. Ich bin noch Bundeswehrsoldat mit entsprechenden finanziellen Mitteln, da ist nicht mehr drin. Montag abends kommt mir ein genialer Gedanke: "Wenn ich all mein Geld zusammenkratze und eine Spar-Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h einhalte (Verbrauch dann gleich 3,8 Liter/100km), kann ich es bis nach Kärnten und zurück schaffen und dort eine Übernachtung und eine Mahlzeit finanzieren!" Dort, in Mallnitz - wo dort genau, weiß ich natürlich nicht - verbringen meine Eltern gerade ihren Urlaub. Na das wäre doch eine Überraschung für die und für mich eine nette Motorradtour!

Der Entschluss steht fest. Ich sage meinem Bruder kurz Bescheid: "Du, ich fahr morgen mal eben nach Österreich", packe Jeans, Unterwäsche, Fotoausrüstung, Zahnbüste und (am nächsten Morgen) zwei Schnitten Brot in den Tankrucksack und fahre früh am Morgen los. Es ist ein herrliches Motorradwetter. Das mit der Spargeschwindigkeit funktioniert hervorragend. Erst nach mehr als 300 Kilometern muss ich zum Tanken kurz anhalten. (Bei meiner ersten Fahrt nach Österreich, vor eineinhalb Jahren, musste ich hier wegen ungeahnter Pannendichte bereits die erste Übernachtung einplanen.) Den nächsten Halt mache ich erst in Nürnberg wegen eines Kontrollfotos und Verspeisens der Marschverpflegung.

Hinter München ziehen dann dichte Wolken auf, und ab Rosenheim schwimme ich durch das kräftigste Unwetter, an das ich mich erinnern kann. Eine Grenze zwischen Chiemsee und Autobahn erkenne ich nur an den Leitplanken. Die Autos haben alle am Straßenrand angehalten. Alle? Nein, nicht alle! Vor mir zieht ein LKW mit seinen breiten Reifen eine Spur durch das Wasser, auf der ich mit meinen schmalen Motorradreifen wunderbar fahren kann. Ich will auch nicht anhalten, schließlich will ich in Mallnitz noch meine Eltern suchen! Die wasserdichte Kunstlederkombi, die ich trage, belehrt mich so nebenbei, dass eine Regenkombi auf langen Touren doch ins Gepäck gehört.

In Österreich ist die Welt wieder trocken, nicht aber meine Kombi, Handschuhe und Stiefel (eine Aufrüstung meiner Regenausrüstung wird meine Konsequenz sein). Feucht werden auch noch meine Augen, als ich den Preis der Maut für den Felbertauerntunnel erfahre. Gehört er mir jetzt?

Endlich ist die Autobahn bei Kremsbrücke beendet. Jetzt folgt der schönste Abschnitt der Fahrt. Kurvenreiche, trockene Straßen zeigen, dass mein spontaner Entschluss gestern Abend nicht falsch war.

Um 19.30 Uhr, nach zwölfeinhalb Stunden Fahrt, erreiche ich Mallnitz. Oha, sooo klein ist der Ort ja gar nicht. Das Touristenbüro ist natürlich nicht mehr geöffnet! Wie finde ich nun die Verwandtschaft? Über eine Stunde lang fahre ich von Hotel zu Hotel, von Gasthaus zu Gasthaus, ohne eine Spur zu finden. Schließlich bleibe ich in einem Gasthaus zur Übernachtung. Morgen werde ich sie schon finden - oder wieder lange Motorrad fahren!

In der Touristen-Information gibt man mir am nächsten Morgen die gewünschte Auskunft. Gelungener habe ich mir die Überraschung kaum vorstellen können. Zwecks Spaziergang verlassen die Gesuchten gerade die Pension, als ich von hinten komme und sie beiläufig anspreche. Dem sprachlosen Erstaunen folgt große Freude nebst Einladung zum Verbleib bis zum Wochenende. Ich nehme an. Schließlich verstehe ich mich sehr gut mit meinen Eltern, und für ein paar schöne Wanderungen und Motorradtouren in den Alpen nehme ich auch schon einmal das nicht ganz so angenehme "Das ist unser Sohn. Der ist mit dem Motorrad hier!" in Kauf.

Für den Rückweg wähle ich zunächst die Fahrt durch den Tauerntunnel per Eisenbahn von Mallnitz nach Böckstein. So lerne ich die schöne Strecke durch das Gasteiner Tal kennen. Im weiteren Verlauf fahre ich über den kleinen Pass Thurn und dann am Kaisergebirge vorbei. Es ist auch immer wieder ein landschaftliches Highlight, an diesem Kalksteingebirge entlang zu fahren, besonders wenn die Sonne so strahlt, wie an diesem Tag.

Ab Kufstein ist wieder Autobahn angesagt, aber nicht unbedingt Bummeln. Durch eine kleine Finanzspritze (ich Schnorrer!) darf der Benzinverbrauch schon ein wenig ansteigen. Trotzdem brauche ich elf Stunden - Ferienende in einigen Bundesländern, also Staus ohne Ende! Ich nehme mir zwar die Freiheit, mich durch die Schlangen hindurch zu schlängeln, aber mit Vorsicht, denn ich möchte gesund nach Hause kommen und will nicht dazu beitragen, dass das in dieser Zeit sehr angekratzte Image der Motorradfahrer weiter leidet. Wie immer, verlasse ich in Ingolstadt für einige hundert Meter die Autobahn, um billig zu tanken. Diesmal kommt allerdings auch noch ein Wertungsfoto des Ortsschildes dazu.

Für den Wettbewerb mache ich in diesem Jahr noch drei kleine Touren. In Radevormwald, Osnabrück und Lengerich fotografiere ich drei ehemalige Motorradfabriken. Den Abschluss bildet das Ortsschild von Dortmund. Weitere Fotos sind nicht mehr möglich, da der Fotoapparat seinen Geist aufgibt.

Ergebnis

Mit meiner Ausbeute von 92 Punkten bin ich in diesem Jahr schon fast zufrieden. Fast? Ja fast, denn hinterher sagt man sich immer: "Wäre ich da und da noch hingefahren, hätte ich über 100 Punkte"! Trotz des erwachten Ehrgeizes bin ich mit den Erlebnissen auf meinen Touren schon sehr zufrieden und warte, wie in jedem Jahr, mit Spannung auf die Ergebnisse und auf die nächsten Aufgaben.

Zu Weihnachten kommt endlich die ersehnte Post aus Österreich! Platz 19 von 37 Teilnehmern der Wertungsgruppe 3! Ich freue mich, mitten drin zu sein und nicht nur ganz hinten!

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