Pfadfinder-Trophäe 1977

- Abenteuer in den Alpen, Teil 2 -


3. Fahrt: "Kurzer Ausflug"

Zwei Tage später, nach einer kleinen Inspektion (alles OK, nur Kette Spannen ist nötig), mache ich eine kleine Testfahrt zur Passhöhe des Reschenpasses und zum Reschensee. Diesmal ist mir das "Pfadfinderglück" hold. Neben der Passstraße führen hier noch zwei weitere Nebenstraßen über die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer. Das sind 24 Wertungspunkte mehr als erwartet! Ist es Einbildung, oder beginnt schlagartig hinter der Grenze das südländische Flair? Vielleicht liegt es ganz einfach daran, dass die Sonne heute so herrlich scheint und sich das Fahren dadurch ganz erheblich von meiner letzten Fahrt unterscheidet.

Jedenfalls strahlt die Gegend um den Reschensee eine erholsame Ruhe aus. Der Verlockung, weiter in den Süden zu fahren, werde ich nicht lange widerstehen können, warum auch?

4. Fahrt: "Kleinere Pässe im Norden"

Nach ein paar Wandertagen (zu Fuß) fahre ich nach Norden, um drei Passstraßen zu fotografieren, die über Wasserscheiden führen (Nordsee/Schwarzes Meer). Auf der Anfahrt lerne ich zunächst den nördlichen Teil des Reschenpasses kennen: ein Riesen-Fahrspaß! Bei strahlendem Sonnenschein sind Arlberg-, Flexen- und Hochtannbergpass schnell erreicht. Ich nehme mir viel Zeit zum Filmen und zum Fotografieren.

5. Fahrt: "Schweizer Pässe im Engadin"

Am nächsten Tag geht es wieder in die Schweiz. Über die kurvenreiche Straße nach Hochfinstermünz gelange ich ins Engadin. Konnte ich auf der Hinfahrt, vor ein paar Tagen, nur erahnen, wie herrlich diese Landschaft ist, so wird diese Ahnung jetzt zur Gewissheit. Ständig umgeben von 2000ern, führt die Straße, am Inn entlang, durch malerische kleine Dörfer. Besonders fällt mir Scoul ins Auge. Teilweise ragen die Häuser bis in die Straße hinein - sicherlich nicht angenehm in Kombination mit dem Schwerlastverkehr, der mich heute aber überhaupt nicht interessiert.

In Zernetz biege ich nach links ab, in Richtung Ofenpass. Die Straße führt durch den gleichnamigen Nationalpark. Er ist ein besonderes Schutzgebiet, in dem jeder menschliche Eingriff möglichst vermieden wird. Das Betreten ist daher außerhalb der genehmigten Wege strengstens verboten! Deutlich ist auch der Unterschied zum normalen Forst zu sehen. Überall sieht man umgestürzte alte Bäume verrotten, die nun wieder die Grundlage zum Entstehen einer neuen Flora bilden. Auch größere, durch Unwetter verursachte Schäden werden von der Natur selbst wieder zu neuer Lebensgrundlage geformt. Die Zeit, diese Beobachtungen anzustellen, nehme ich mir einfach, obwohl die Straße sicherlich auch als Paradies für Motorradfahrer anzusehen ist. Ich bin eben kein Heizer, sondern ein Tourer.

Nach dem Wertungsfoto auf der Passhöhe (Wasserscheide Mittelmeer/Schwarzes Meer) fahre ich wieder zurück und mache einen Abstecher zum Albulapass, um hier die Wasserscheide Nordsee/Schwarzes Meer zu fotografieren. Dann geht es wieder zurück zur Südseite des Engadins, zum Berninapass. Auch hier siegt die Landschaft wieder über die Hand am Gasgriff. Herrliche Aussichten auf die weißen Gipfel und Gletscher der Berninagruppe und ständig wechselnde Perspektiven lassen gemäßigte Fahrweise zum Genuss werden. Häufige Fotostopps (ohne Ortsschild) sind angesagt. Als Eisenbahnfreund sucht mein Auge auch immer wieder nach faszinierenden Bildern der Berninabahn, die ein ständiger Begleiter der Straße ist. Nach dem Wertungsfoto auf der Passhöhe und einem netten Benzingespräch mit einem italienischen Motorradfahrer geht es wieder zurück - ebenso genussvoll wie zuvor, jetzt mit ständiger Aussicht auf den nördlichen Teil des Engadins.

Als westlichsten Pass der heutigen Tour suche ich den Julierpass auf. Auf dem Weg dorthin lasse ich es mir nicht nehmen, einmal durch den berühmten Ort St. Moritz zu fahren. Ganz nett, aber zum Anhalten und zur Erkundung zu Fuß nicht ganz mein Fall. Ich schlendere lieber durch kleine, verwinkelte, alte Städte und Dörfer.

Es ist noch früh am Tag, das Wetter ist klasse und ich habe noch keine Lust, direkt nach Nauders zurückzufahren. Also noch einen Pass! In Susch biege ich links ab in Richtung Flüelapass. Wegen des schlechten Wetters vor einigen Tagen habe ich hier das Wertungsfoto noch nicht gemacht. Heute lohnt die Fahrt. Die Straße beginnt hinter Susch im dichten Wald. Mit steigender Höhe wird der Wald lichter, weicht einer Landschaft aus Sträuchern, bis schließlich auf der Passhöhe nur noch Geröll, Moos und ein wenig Gras übrig bleiben. Klar, das haben wir alle in der Schule gelernt, das war auch bei anderen Pässen über 2000 Meter heute schon so, aber irgendwie fällt es mir am Flüelapass besonders auf.

Noch eine Besonderheit zeigt dieser Pass: Die Passstraße selbst ist hier oben die Wasserscheide (Foto)! Der See auf der linken Seite fließt nach Norden ab, zum Rhein, und endet irgendwann einmal in der Nordsee. Der rechte See fließt nach Süden, in den Inn, und gelangt so ins Schwarze Meer. Wo sonst hat man die Möglichkeit, innerhalb weniger Sekunden in die Nordsee und ins Schwarze Meer zu spucken???

Auf der Rückfahrt nach Nauders lege ich eine etwas flottere Fahrweise vor. Landschaftlich bin ich jetzt satt, jetzt bekommt die Gashand etwas zu tun. Die Ost-West-Straße durch das Engadin hat nämlich nicht nur landschaftliche Reize! Krönender Abschluss ist wieder die Strecke Hochfinstermünz - Nauders.

Fazit des Tages: 61 Wertungspunkte, herrliche Landschaften, Superwetter und jede Menge Fahrspaß! Ach ja, und dann stelle ich noch fest, dass ich den Malojapass vergessen habe. Macht gar nichts, denn so habe ich einen Grund mehr, in den nächsten Tagen noch einmal durchs Engadin zu fahren!