Siegerehrung zur Pfadfinder-Trophäe 74 in Adnet 1975

Ein Frischling berichtet

1974: Wertungsgruppe "Hängebrücken und schrägseilverspannte Brücken".
Mai 1975: die Siegerehrung dazu in Adnet bei Salzburg! Das erste Mal auf wirklich großer Fahrt! Lasst Euch von einem Anfänger mit knapp 10.000 Kilometern Fahrpraxis berichten, wie das so sein kann:

Jetzt geht's los!

Meine erste Saison habe ich also erfolgreich beendet. Immerhin habe ich mehrere Punkte. Mit meiner 125er Yamaha AS3 (2 Zylinder, 2-Takt, 15 PS) erreichte ich auf einer "Wahnsinnstour" von 200 Kilometern mit stolzen 7 Punkten den 23. Platz in meiner Wertungsgruppe. Klare Sache: "Auf geht's zur Siegerehrung!"

Schon Probleme?

Am Mittwoch, 30. April 1975, direkt nach der Schule geht es los. Gerade will ich losfahren, da reißt doch der rechte Auspuff, direkt am Zylinder, ab. Das nötige Schweißen kostet einiges an Zeit und Geld. Aber dann, am frühen Nachmittag, geht es doch endlich los!

Jetzt geht's aber wirklich los!

Voll bepackt, mit vielen Ersatzteilen und Werkzeugen in Tankrucksack, Koffern und etlichen Plastiktüten (!) fahre ich die ersten 100 Kilometer bis Siegen pannenfrei. Dort treffe ich mich mit meinem Freund Roland auf seiner Honda CB 250.

Nach einigen "dezenten" Bemerkungen über die mit Wäscheleinen (!) befestigten Plastiktüten (!) und leichtem Befremden darüber, dass ich sogar den Drehmomentschlüssel mit dabei habe, fahren wir gemeinsam weiter in Richtung Adnet.

Neue Probleme?

50 Kilometer geht es flott voran, da fährt die Yamaha nur noch auf einem Zylinder. Kein Problem - das kenne ich schon - das kommt öfter vor: Die Zündkerze ist nur nass! Trocken legen und dann schnell weiter fahren, das hilft schon. Diesmal leider nicht; die Yamaha läuft immer noch auf einem Pott. Nun fährt so ein Zweitakter auch auf einem Zylinder noch seine 80km/h, aber ob das so gut ist???

Bei Wetterau kaufe ich neue Kerzen, aber das hilft auch nicht. Ob es am Vergaser liegt? "Kann nicht sein", meint Roland. Ich glaube ihm, schließlich hat er ja schon ein paar Monate mehr Motorrad-Erfahrung, und vorher hat er drei Jahre lang Mofa gefahren. Also weiter, gleich wird es einen Ruck geben und der Motor läuft wieder richtig!

Bei Mespelbrunn übernachten wir erst einmal in einer Jugendherberge. Morgen wollen wir in Ruhe die Zündung einstellen. Das wird es sein, am Vergaser kann es ja nicht liegen! (Warum eigentlich nicht?).

Noch mehr Probleme!

Leider können wir am nächsten Morgen nicht sofort damit beginnen, die Zündung einzustellen, die Batterie ist leer! Mit Rolands Honda fahren wir erst einmal zur Autobahntankstelle, um sie aufladen zu lassen. Die Werkstätten sind leider geschlossen, da heute der 1.Mai ist. Während mittags das ganze Dorf um den Maibaum tanzt, stellen wir endlich die Zündung ein. Und, siehe da, die Yamaha läuft, und zwar auf einem Zylinder! Jetzt reicht es, die Zeit drängt! Dann fahren wir eben auf einem Zylinder weiter. Gestern funktionierte es ja auch, langsam zwar, aber auch mit Tempo 80 kann man die Alpen erreichen.

Endlich die Lösung!

Nach einiger Zeit beunruhigt mich das gequälte Geräusch des Motors beim Erklimmen der Steigungen jedoch immer mehr. Kurz vor Würzburg halte ich es nicht mehr aus: runter von der Autobahn, rauf auf einen kleinen Feldweg! Erfahrung hin, Erfahrung her, jetzt nehme ich den Vergaser auseinander! Nach einer halben Minute habe ich den Fehler gefunden: Der Sicherungsclip der Schwimmernadel hat sich gelöst und die ist in die Schwimmerkammer gefallen! Schon zwei Minuten später ist der Schaden behoben und beide Zylinder geben bei einer Probefahrt wieder Ihre volle Kraft ans Hinterrad ab. Jetzt nichts wie los auf die Autobahn. Adnet, wir kommen!

Das Ende?

Schon nach 300 Metern gibt es wieder einen Ruck und ich höre wieder das vertraute "Mööööh" eines absterbenden Motors. Routineverhalten: Anhalten, Vergaser aufschrauben - Nadel hängt richtig! -, den anderen Vergaser auf - Nadel hängt auch richtig! -, erste Kerze raus - trocken! -, zweite Kerze raus - schneeweiß und metallverklebt! Vorsichtiges Tasten mit dem Schraubendreher im Brennraum bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen: ein Loch im Kolben! War wohl doch nicht so gut, 300 Kilometer auf einem Zylinder zu fahren!

Was nun? Wir bauen den defekten Kolben aus (als Muster), reduzieren das Gepäck der zwei voll beladenen Maschinen auf die Hälfte und lassen den Rest im Kofferraum eines alten Mercedes in einer Hinterhofwerkstatt zurück. Weiter geht es nun auf Rolands Honda.

Doch noch am Ziel!

Nach einer weiteren Übernachtung in einer Jugendherberge in Ingolstadt kaufen wir am nächsten Tag in München erst einmal einen neuen Kolben für die Yamaha. Dann geht es endlich in die Alpen! Beide sammeln wir nun: Roland viele Punkte für die diesjährige Pfadfinder-Trophäe, Wertungsgruppe "Bergbahnen" und ich viel Erfahrung als Sozius. Eigentlich wollte ich ja auch viel lieber Punkte sammeln, aber schön ist es trotzdem!

Die Siegerehrung!

Am Samstag Nachmittag erreichen wir Adnet. Schnell ein Zimmer gesucht, frisch gemacht und dann ab zur Siegerehrung im Gasthof "Zur Post"! Der große Saal ist gut gefüllt. Wir setzen uns an einen Tisch in der Nähe der Pokale, wenigstens richtig ansehen möchten wir sie schon. Unsere Tischwahl erweist sich als sehr gelungen, denn so viel Spaß wie an diesem Abend haben wir selten, vielleicht sogar nie zuvor gehabt.

Die Siegerehrung selbst ist ein tolles Erlebnis für uns. Allein die Tatsache, dass der berühmte "Klacks" persönlich anwesend ist und auch eine kleine Rede hält, ist die Reise wert. Die Preisverteilung selbst dauert sehr lange, bekommt doch zusätzlich zu den Preisträgern jeder Teilnehmer noch einen Erinnerungspokal. Ja jeder, auch der Letzte (also ich) wird nach vorn gerufen, um den Pokal persönlich entgegen zu nehmen. Nein, keiner lacht, weil ich nur sieben Punkte erreicht habe, während die Erfahrenen weit über 10.000 haben, sogar ich bekomme noch Beifall! Dann kommt der Höhepunkt: der große Wanderpokal und eine 400er Yamaha (oder war es eine Suzuki?) werden dem Gesamtsieger übergeben. Wie gerne würde ich die jetzt gegen meine tauschen! Von der steht leider nur der durchlöcherte Kolben auf dem Tisch und sorgt für Gesprächsstoff.

Zum Abschluss bekommt jeder Teilnehmer noch eine Freikarte für den "Großen Preis von Österreich", der am nächsten Tag auf dem Salzburgring stattfinden soll. Darauf trinken wir einen! Da an unserem Tisch einige Pokalgewinner sitzen, wird der Abend noch sehr feucht, als die mit Sekt gefüllten Pokale mehrfach die Runde machen.

Am nächsten Morgen haben alle Probleme, die Helme aufzusetzen, die Köpfe müssen über Nacht wohl dicker geworden sein! Am Salzburgring angekommen, hat die frische Luft entlang der herrlichen Wiestalstrecke den Kopf wieder in die richtige Form gebracht - oder hat die Aufregung vor dem nächsten Ereignis uns wieder ernüchtert?

Einfach traumhaft!

Wir fahren vor Tausenden von Zuschauern zwei Ehrenrunden über den Salzburgring!

In gewisser Weise ist die Siegerehrung ja immer noch nicht beendet: Vor dem ersten WM-Lauf zum "Großen Preis von Österreich" sind wir nämlich dran! Jawohl, wir, die Teilnehmer der Pfadfinder-Trophäe, dürfen vor zigtausend Zuschauern auf dem Salzburgring eine Ehrenrunde fahren!!! Während Ernst Leverkus (Klacks) die Pfadfindergruppe flott um den Ring führt, wird über die Lautsprecher erklärt, wer wir sind und was wir geleistet haben. Welch ein Erlebnis!

Mit unserer Ehrenkarte haben wir sogar Zutritt zum Fahrerlager. Es ist ein Traum, so hautnah dabei zu sein. Beeindruckend, wie ein Mechaniker mit einer riesigen Feile die Reifen

Sieger der 125er: Hideo Kanaya
von Hideo Kanayas Yamaha für das Rennen aufraut. Mit Erfolg, Kanaya gewinnt das Rennen (Foto links). In einer Gesprächsrunde stehen wir um eine andere Yamaha herum. Wer ist denn der Kleine neben mir in der bunten Kombi? - Oh pardon, das ist der große Giacomo Agostini persönlich, achtfacher Motorradweltmeister! Ich vergehe vor Stolz. Wenn ich das zu Hause erzähle...! Jetzt wird die Yamaha gestartet. Kein Wort ist mehr zu verstehen. Bei dem Krach liegt die Frage nahe, ob ich jemals wieder etwas verstehen werde.

Unter den siegreichen Maschinen bei den 500ern natürlich auch die MV Agusta von Phil Read!

... und tschüss!

Nach diesem unbeschreiblichen Erlebnis müssen wir am nächsten Tag Abschied nehmen. Wir wurden hier sehr herzlich aufgenommen von Frau Schörghofer. Extra für das Motorrad räumte Schwiegersohn Rupert die Garage. Wir werden bestimmt noch einmal wieder kommen, doch jetzt wartet in Würzburg eine Yamaha auf ihren neuen Kolben!

Der ist dann am Nachmittag schnell eingebaut. Siehst Du, Roland, dafür brauchte ich den Drehmomentschlüssel! Die Probefahrt verläuft erfolgreich, motormäßig, doch jetzt zerbröselt der Verteiler für Gaszüge und Ölpumpe so sehr, dass es unmöglich ist, ihn zu reparieren!

Schluss jetzt! Roland muss morgen zur Uni und ich zur Schule. Noch länger kann ich wirklich nicht blau machen. Bis Siegen nimmt Roland mich mit, den Rest schaffe ich mit Hilfe der Deutschen Bundesbahn, in der ich alle Zeit zum Nachdenken habe: Viel Ärger mit der Yamaha, keine mit der Honda. Ist Honda doch besser als Yamaha? Ist der Viertakter tatsächlich zuverlässiger als ein Zweitakter? Egal: es war ein Supererlebnis!!!

Die Yamaha hole ich am Wochenende darauf mit dem Kadett-Kombi meines Bruders ab. Nach Ausbau des Vorderrads passt die Yamaha so gerade hinein. Die Heckklappe wird halt zugebunden. Irgendwie scheint die Yamaha nun einen Schock fürs Motorradleben bekommen zu haben, sie erholt sich nie wieder richtig.

So gings weiter.

Die nächsten 27 Siegerehrungen besuchte ich mit Hondas, einer Moto-Guzzi und schließlich wieder mit einer Yamaha, aber immer Viertakter. Es gab keine nennenswerten Probleme mehr! Der blau gemachte Schultag führte durch einen dummen Zufall dazu, dass ich im Abitur eine "5" in Englisch bekam, war mein Thema doch ausgerechnet ein Referat, das an jenem Tag gehalten wurde. Aber macht nichts, ich bereue nichts, und wenn ich jetzt noch einmal wählen könnte, würde ich ohne Zögern wieder nach Adnet zur Siegerehrung fahren!

Ende einer Ausfahrt!